Zurück in Deutschland (1974 bis 1985)
Der Rücktritt als Bischof nach 23 Jahren
Nach 23 Jahren trat Hermann Westermann 1974 aus Gesundheitsgründen von seinem Amt als Bischof zurück. Die Strapazen der mehr als 40-jährigen Missionsarbeit in heißem Tropenklima hatten seine Gesundheit sehr geschwächt. Während seiner Amtszeit hatte sich die Zahl der Katholiken im Bistum Sambalpur mehr als verdoppelt: Sie war von 57.772 auf 133.000 Gläubige gewachsen. Die Zahl der Pfarreien war von fünf auf 30 gestiegen - mit 312 Außenstationen (Angaben nach Engelbert Zeitler). Westermann hatte seine Diözese soweit ausgebaut, dass sie sich ohne europäische Nachwuchskräfte halten konnte. „Heute werden die indischen Christen in den 30 Pfarreien der Diözese von 18 Diözesan- und 33 Ordenspriestern betreut. Nur noch 16 ausländische Missionare unterstützen die einheimischen Seelsorger. Diese erfreuliche Entwicklung hat die Diözese in erster Linie dem Weitblick ihres Bischofs zu verdanken, der schon frühzeitig an die Erziehung und Bildung der Inder gedacht hat", sagte 1976 der Werner Bürgermeister Franz-Josef Grube in seiner Ansprache zur Verleihung der Ehrenbürgerrechte an Westermann. Zu den Priestern und Missionaren kamen Anfang der 70-er Jahre noch rund 300 Ordensschwestern. Mehr als 7.000 Mädchen und Jungen konnten dank Westermanns Schulprogramm zwischen 1951 und 1974 zur Matric, dem indischen Abitur, geführt werden.
Nach dem Rücktritt Westermanns erhielt das Bistum Rourkela einen einheimischen Bischof: Pater Raphael Cheenath, Mitglied der Steyler Generalleitung in Rom. Westermann selber weihte den indischen Mitbruder am 18. Mai 1974 zum Bischof. Nur wenige Tage nach der Bischofsweihe Cheenaths, am 25. Mai 1974, kehrte Westermann nach Deutschland zurück.
In seiner Heimatstadt Werne erhielt Westermann wieder einen deutschen Pass, überreicht vom damaligen Stadtdirektor Dr. Heinrich Hoffschulte. Für Westermann hatte die indische Staatsbürgerschaft durchaus Unbequemlichkeiten mit sich gebracht. So hatte der Bischof ein Visum gebraucht, wenn er nach Rom fahren wollte. Außerdem musste die Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland immer wieder verlängert werden. Hoffschulte versprach dem Bischof damals, den indischen Pass, den er einziehen musste, von der indischen Botschaft als Souvenir für Westermann zurückzuverlangen.
Westermann bezog eine Mietwohnung in Münster (Propsteistraße). Im Bistum Münster nahm er die Aufgaben eines Weihbischofs war, solange es seine Kräfte zuließen. Unter anderem half er bei Firmungen in der Diözese aus. Von seinem Schreibtisch aus organisierte er Hilfsaktionen für seine frühere indische Diözese. Er korrespondierte mit Freunden und Wohltätern und garantierte, dass deren Spendengelder direkt nach Indien gelangten. „Ich versuche jeden Tag, allen [in den Diözesen Rourkela und Sambalpur] durch mein Gebet zu helfen. Und bei jeder heiligen Messe bete ich für meine verstorbenen Christen in meinem indischen Bistum", sagte Westermann in seinem Interview mit Dr. Günther Mees. Bis kurz vor seinem Tod setzte er sich für die Mission in Indien ein. Er bemühte sich, in der Heimat das Interesse für die Missionsarbeit zu wecken und zu fördern, um vor allem den indischen Mitbrüdern und Ordensschwestern jede Unterstützung zukommen zu lassen.
Mit der Verleihung der Ehrenbürgerrechte am 13. Juni 1976, am Tag seines silbernen Bischofsjubiläums, würdigte die Stadt Werne die außergewöhnlichen Verdienste Bischof Westermanns. Die CDU-Fraktion hatte in einer Ratssitzung im April des Jahres den entsprechenden Antrag gestellt. „Mit der Verleihung der Ehrenbürgerrechte würde die Stadt Werne einen vorbildlichen Sohn ihrer Stadt auszeichnen, der in einer Zeit, als der Aufbruch in ferne Kontinente noch ein Abschied für Jahrzehnte war und die Reise nach Indien als ein mutiger Schritt ins Ungewisse erschien, auf vertraute Umgebung und Heimat verzichtete, um in christlicher Nächstenliebe seinen Dienst an der Kirche und seine Entwicklungsarbeit für ein in weiten Teilen im Elend lebendes Volk anzutreten", hieß es unter anderem in der Begründung des Antrags. Zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft trat der Stadtrat am 13. Juni zu einer festlichen Sondersitzung im Alten Rathaus am Markt zusammen. „Sie verspürten den Hunger der Menschen und sahen Elend und Armut in einem Ausmaß, das einem Europäer fremd war. Ihr ganzer Einsatz galt der Linderung der materiellen und geistigen Not", sagte Bürgermeister Franz-Josef Grube in seiner Ansprache. Dabei dankte Grube auch Westermanns Schwester Hildegard, die mit ihm gemeinsam in Indien viele Jahre Entwicklungshilfe geleistet hatte. „Sie hat Ihnen zur Seite gestanden und unter Verzicht auf ein angenehmeres Leben ihren Beitrag zur Linderung der Not geleistet." Der ehemalige Oberhirte des indischen Bistums Sambalpur war der fünfte Ehrenbürger der Stadt Werne - nach Hermann Berger, Bischof Melchers, Minister Maybach und der Heimatdichterin Jüngst. Zu dem Festakt übersandten auch der damalige Münsteraner Bischof Heinrich Tenhumberg sowie Adolf Spreti, Provinzial der Niederdeutschen Provinz der Steyler, und der indische Botschafter M. A. Rahman ihre Glückwünsche.
„Wenn mich etwas in meinem Leben gefreut hat, dann ist es die Verleihung dieser Ehrenbürgerrechte", so Westermann damals in seiner Dankesrede (Westfälische Nachrichten vom 14. Juni 1976). Weiter sagte er: „Unser Wohlstand und unsere industrielle Macht verpflichten uns Europäer zur Hilfe für die Völker, die unseren heutigen Stand nicht erreichen konnten. Dieser Gedanke hat mich vor über 40 Jahren nach Indien gebracht. Ohne die großzügige Unterstützung aus der Heimat hätte ich diese große Aufgabe jedoch nie erfüllen können." Im Juni 1978 stellte Westermann seinen Nachfolger Bischof Cheenath in seiner Heimatgemeinde Werne vor. Cheenath zelebrierte ein Pontifikalamt in St. Christophorus, in dem er die Verbundenheit seiner Diözese Sambalpur mit Werne unterstrich.