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Indiens Weg in die Freiheit

 

Vier Monate nach Kriegsende (8. Mai 1945), am 10. September 1945, hob die britisch-indische Regierung in Delhi endlich alle Beschränkungen der Missionare auf. Freitag berichtete allerdings, dass die Missionare erst am 3. Oktober von diesem Beschluss Kenntnis erhielten. Alle Indore-Missionare durften in Indien bleiben. Laut Freitag hatten die Behörden mehrmals versichert, dass keiner der SVD-Missionare sich etwas habe zuschulden kommen lassen, das eine Repatriierung, also eine Ausweisung ins Heimatland, begründet hätte. Freitag: „Die Mission [stand] gerechtfertigt da. Umso mehr, als alle deutschen protestantischen Missionare von der Heimbeförderung betroffen wurden und auch einzelne katholische italienische Missionare dasselbe Los traf."

 

Aber auch nach dem Krieg beruhigte sich die Situation für die Missionare in Indien keineswegs: Die indische Unabhängigkeitsbewegung kam in ihre letzte Phase. Der 2. Weltkrieg brachte die entscheidenden Konsequenzen für Indiens Weg in die Freiheit. Bei Kriegsausbruch hatte der Vizekönig von Indien, Victor Alexander John Hope, Marquess of Linlithgow, Deutschland den Krieg erklärt. Dieser Schritt war zwar konform mit der Verfassung von 1937, erfolgte aber ohne Rücksprache mit indischen Politikern. Daher stieß er bei Gandhi auf heftige Kritik. Einflussreiche Fraktionen innerhalb des INC teilten seine Einstellung. Nachdrücklich forderten sie die sofortige Selbstverwaltung als Preis für die Teilnahme Indiens am Krieg. Als die britische Regierung kein Entgegenkommen zeigte, traten acht Provinzregierungen zurück. Der INC nahm nun wieder die Politik des zivilen Ungehorsams auf. Die Briten antworteten wiederum mit der Verhaftung der politischen Führer und Tausender Anhänger sowie einem zeitweiligen Verbot des INC. Doch gleichzeitig hatten sich bereits die Muslim-Liga, zahlreiche Fürstentümer und einzelne Mitglieder des INC dafür entschieden, die Briten im Krieg zu unterstützen. Die Briten wiederum mussten sich angesichts einer drohenden japanischen Invasion einer gemeinsamen innenpolitischen Front zur Verteidigung Britisch-Indiens versichern. So gestand die Regierung in London 1942 zu, Indien nach Kriegsende in die Unabhängigkeit zu entlassen.

Der indische Beitrag zur Kriegführung der Alliierten war beträchtlich. Bis Kriegsende hatten etwa 1,5 Millionen indische Soldaten in der Heimat oder im Fronteinsatz gedient. Die finanziellen Leistungen Indiens beliefen sich auf insgesamt etwa zwölf Milliarden US-Dollar, dazu kam die Notwendigkeit einer Kriegsindustrie in Indien. Dennoch zögerte die neue Labour-Regierung in England nach dem Krieg noch zwei Jahre, bevor sie Indien in die Unabhängigkeit entließ. Gründe hierfür waren vor allem die Spannungen zwischen Hindus und Moslems und die damit zusammenhängenden Diskussionen um die Abspaltung Pakistans. Im Februar 1947 erklärte dann der britische Premierminister Clement Attlee, dass seine Regierung die Herrschaft über Indien spätestens am 30. Juni 1948 abgeben würde. Dieser Schritt sollte unabhängig davon erfolgen, ob die indischen Parteien sich bis dahin auf eine Verfassung geeinigt haben würden oder nicht. Nach Beratungen mit indischen Politikern empfahl Vizekönig Louis Mountbatten der britischen Regierung, Indien unverzüglich zu teilen, um einen Bürgerkrieg abzuwenden. Der Plan fand die Zustimmung der Muslim-Liga und des INC und wurde von beiden Kammern des britischen Parlaments im Juli 1947 einstimmig gebilligt.

 

Der indische Unabhängigkeitskampf gab den christlichen Missionaren im Land Anlass zu neuer Sorge. Sie fürchteten, dass in einem freien Indien kein Platz mehr für ausländische Missionare sein könnte. Doch in der verfassungsgebenden Nationalversammlung war eine kleine Gruppe indischer Katholiken vertreten. Diese setzte durch, dass in der Verfassung die Religions- und Missionsfreiheit festgeschrieben wurde. „Die ersten Nachkriegsjahre verliefen so für die Missionstätigkeit in Indore ziemlich zufriedenstellend, obwohl die lange Verwaisung der Mission sich einer freien Entwicklung nicht günstig erweist", urteilte Anton Freitag dazu. Ein Jahr nach der Unabhängigkeit Indiens wurde Hermann Westermann am 20. März 1948 zum Apostolischen Präfekten von Indore ernannt. Der langjährige Apostolische Präfekt Monsignore Peter Janser war Ende 1947 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten. Danach hatte zunächst Pater Simons als Administrator die Mission geleitet. 1950 erhielt Westermann einen indischen Pass. „Damals mußte ich nach dem Ausrufen der indischen Republik Inder werden, sonst hätte man mich ausgewiesen." Erst Mitte der 70-er Jahre sollte der gebürtige Werner wieder die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

 

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